Deutsche Handwerks Zeitung, 23- September 2005:
Text und Bilder von Frank Muck (alle Rechte vorbehalten).

Konsequent auf Goldkurs

Die Fleischerei Manfred Obermaier holt mit ihren Wurst- und Fleischwaren seit 24 Jahren den Bundesehrenpreis der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG). Ein Rekord. Und eine Frage der Qualität - natürlich. Wie das geht? Wir haben uns in seiner Fleischerei umgesehen.


Konsequent auf GoldkursManfred Obermaier mischt Pülverchen. Ein bisschen hiervon, ein wenig davon, alles gut gemixt und ab damit in den Kutter. Für jede Wurstsorte hat der Fleischer eine eigene Gewürzmischung. Da hat jeder seine kleinen Tricks. Die Grundwürze ist bei allen gleich. Was dann noch hinzukommt, ist Geheimsache. Das bisschen Thymian noch oder die Prise Zimt, die den letzten Kick ausmachen, das ganz Besondere am eigenen Produkt.
 
Obermaier hat dafür anscheinend ein besonderes Händchen. Der 32-jährige Meister aus Pliening, östlich von München, hat von der DLG den Bundesehrenpreis des Bundeslandwirtschaftsministeriums verliehen bekommen. Die Fleischerei insgesamt zum 24. Mal. Nach Auskunft der DLG eine außergewöhnliche Leistung, die keine Fleischerei bisher erreicht hat. Dafür müssen die Handwerker ganz besonders strenge Kriterien erfüllen. Geschmack, Aussehen, Konsistenz und Geruch der Würste werden von Sachverständigen untersucht. Schon der kleinste Fehler kostet Punkte und der Preis rutscht auf Silber oder Bronze ab. Die ersten fünf Jahre kann der Fleischer den Bundesehrenpreis sowieso nur in Bronze erlangen. Bis zum 10. Jahr gibt es die silberne Medaille, danach kann es erst Gold geben.

Für Nachschub ist gesorgt. Manfred Obermaier im Fleisch- und Wurstlager hinter dem Verkaufsraum.

Für Manfred Obermaier hat der Ehrenpreis hauptsächlich werblichen Effekt. Seine Kundschaft weiß, was sie an ihm hat, schließlich kommen die Käufer im Umkreis von 30 Kilometer angereist, um bei ihm zu kaufen. So mancher Münchner nimmt wegen der unnachahmlichen Produkte die Strecke ohne Murren auf sich. Sieht er die Plaketten und Urkunden an der Wand hängen, fühlt er sich bestätigt in der Wahl seines Metzgers. Und sollte ein Produkt mal nicht goldwürdig sein, so strenge er sich noch mehr an, etwaige Mängel zu beseitigen, sagt Obermaier.
 
Qualitätssicherung geht dem Chef über alles
 
Josef Schart ist seit 28 Jahren bei Obermaier. Der Fleischer ist von der technischen Entwicklung begeistert. Würste kann man heutzutage in nur einem Ofen trocknen, brühen, kochen und räuchern.
 
Josef Schart kennt die Qualitätsmanie seines Chefs. 28 Jahre arbeitet der Fleischergeselle bereits bei Obermaier. Schon der Vater habe dieselben strengen Kriterien angelegt. Nicht umsonst ist die Fleischerei im ganzen Umkreis so bekannt. Der 52-Jährige öffnet den Ofen, zieht das Metallgestell mit den Würstchen heraus, schnappt sich ein Paar und fragt: "Wollen Sie mal eine frische Wiener probieren?" Am Prinzip des Wurstens hat sich auch nicht viel geändert. Nur dass heute vieles automatisiert ist. "Die Arbeit ist interessanter geworden", sagt Schart. Man bekomme viel mehr mit von der Technik. Alles wird im selben Ofen gebrüht oder getrocknet. Computergesteuert, versteht sich. Selbst das Räuchern geht damit. Und die Späne und das Holz gibt es inzwischen vorgeschnitten. Früher wurde nach Feierabend noch Holz gehackt. Die gesamte Fleischverarbeitung ist längst nicht mehr so schwer. Die Jungs aus der Zerlegung richten alles her. Eine Hauptbeschäftigung für Schart ist dann das Füllen. Gesagt, getan. Hier weiß jeder, was er zu tun hat. Und auch Schart steht schon wieder am Tisch und dreht Würste ab. Zeit für Schwätzchen bleibt da nicht. Auch deshalb, weil der Kutter so laut ist.

In der Grillsaison werden bis zu 600 Kilo Fleisch täglich zu Wurst verarbeitet.

Plaudern können höchstens die Mitarbeiter in der Zerlegung. Dort hört man nur das Fleisch auf den Tisch klatschen. Jörg Diebel aus Sachsen, seit fünf Jahren bei Obermaier, gefällt die Arbeit, obwohl er von montags bis freitags um 4.15 Uhr in der Früh am Schneidetisch stehen muss.  Da kommt man im Sommer wenigstens schön früh von der Arbeit und kann schwimmen gehen , sagt er und lacht.
 
Auch der Chef steht so zeitig auf der Matte. Obermaier ist voll mit eingespannt. Es ist Grillzeit und den Kunden verlangt's nach seiner Wurst. Runde 600 Kilo verarbeiten die Mitarbeiter an diesem Tag zu Wurstwaren. Um 9 Uhr muss die Ware im Laden liegen. Der Vakuumkutter ist in Dauerbetrieb. 250.000 Euro kostet so ein Gerät, sagt er. Aber die Investition in die Vakuumtechnik lohne sich. Das Brät werde viel stärker verdichtet. So kommt keine Luft in die Wurst, betont er und deutet auf die sämige Wurstmasse, die er mit dem Schlesinger aus dem Kutter gestrichen hat. Auch ein Qualitätsaspekt.
 
In der Zerlegung wird Fleisch für die Weiterverarbeitung in der Wurstküche vorsortiert.
 
Doch nicht nur der Kutter ist bei Obermaier auf dem neuesten technischen Stand.Erlöse investiert der 32-Jährige immer wieder in die technische Ausstattung der Fleischerei. Langfristig ein Vorteil gegenüber der Konkurrenz. Durch die fortwährende Erneuerung lasse sich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten der technisch neueste Stand halten, ohne die gesamte Produktion womöglich wegen neuer Hygieneauflagen auf einen Schlag neu einrichten zu müssen. Die gesamte Ausstattung ist bei Obermaier State of the Art. Vom Mitarbeitereingang über die Hygieneschleuse zur Produktion und der Trennung zwischen Zerlegung, Fertigung und Verkauf. Dazu kommt die Schlachtung, die Obermaier noch immer nutzt, obwohl sie sich wegen der hohen Auflagen finanziell eigentlich nicht rentiert. Doch er könne Auswahl und Herkunft des Fleisches so besser kontrollieren, sagt er. Frische und Produktqualität werden durch zwei voneinander getrennte Klimaanlagen für die Wurstküche und für die Zerlegung sowie durch die Computersteuerung der Kühl- und Reiferäume garantiert.

Dr. Wolfgang Lutz vom Deutschen Fleischer-Verband bestätigt, dass Fleischereien heutzutage aufgrund der Auflagen ohne diese aufwendige technische Ausstattung nicht mehr auskommen. Wie groß dann zum Beispiel die Hygieneeinrichtungen ausfallen, hänge allerdings auch von der Größe des Betriebes ab, sagt der Fleischer und Veterinär, der beim DFV für das Thema Fleischforschung zuständig ist.
 
Dennoch nimmt Obermaier mit seiner Betriebsgröße eine Spitzenstellung in der Branche ein. Zehn Mitarbeiter in der Produktion, zehn im Verkauf und einen Auszubildenden. Qualitätssicherung geht dem Junior eben über alles. Ein Vermächtnis von Manfred Obermaier senior. Der hat den Betrieb 1973 gegründet und sich geschworen, die Fehler seines Lehrmeisters nicht zu wiederholen. Der hatte ihm damals aufgetragen, altes Fleisch zu verarbeiten, erinnert sich der Junior an Erzählungen seines Vaters. Der Sohn, der nach dem Tod des Vaters 2001 die Metzgerei übernommen hat, setzt die Strategie fort. Billiges Fleisch kommt bei ihm auf keinen Fall in die Wurst. Kein Weg für ihn. Auch wenn es der Kunde vielleicht nicht einmal merken sollte.
 
Manfred Obermaier schüttet Käsewürfel in den Kutter für die Käseknacker.
 
In der Wurstküche sind die Käseknacker an der Reihe. Auf einem Pult liegt die Produktionsliste, die bald abgearbeitet ist. Doch mit dem Herstellen ist es nicht getan. Anschließend geht es ans Saubermachen der Schüsseln, Maschinen, Öfen und Werkzeuge. Denn auch morgen soll in der Wurst nichts anderes sein als gutes Fleisch und die Geheimrezepte von Manfred Obermaier. Für den Kunden. Und fürs nächste Gold, versteht sich.